Dieses Schwingfest überwindet Grenzen

von Markus Hochstrasser

Im Hintergrund thronen die beiden Türme des Klosters St. Urban. Neben dem Schulhaus mäht ein Landwirt die Wiese, der vorgesehene Schwingplatz ist bereits ausgesteckt. In knapp drei Wochen messen sich auf diesem Areal in fünf Sägemehlringen über 100 Schwinger. Erwartet werden auch die Könige Kilian Wenger und Christian Stucki – sofern Letzterer bis dann wieder fit ist.

Nicht Wenger und Stucki, sondern zwei andere Männer sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass das Fest an Pfingsten in St. Urban stattfindet: Thomas Grüter und Franz Wicki. Grüter ist OK-Präsident des Oberaargauischen Schwingfestes 2022, Wicki sein Vize. Erst zum dritten Mal ist nicht der Kanton Bern Schauplatz des Oberaargauischen. Zweimal wurde der Anlass im solothurnischen Messen ausgetragen.

Nun ist es also St. Urban im Kanton Luzern. Allerdings ist das Festgelände nur wenige Meter von der Grenze zum Kanton Bern entfernt. Und auch der Aargau ist hier nur ein paar Gehminuten weit weg. Dieses Fest überwindet Grenzen. Trägervereine des Anlasses sind der Schwingklub Langenthal, die Musikgesellschaft St. Urban und die Pfaffnauer Guggenmusik Blächschränzer. Das Organisationskomitee setzt sich aus Bernerinnen und Luzernern zusammen.

Für Thomas Grüter ist dieses Grenzüberschreitende nichts Ungewöhnliches. Der Landwirt war bis Ende 2020 Gemeindepräsident von Pfaffnau, zu dem St. Urban gehört. Noch immer sitzt er für die Mitte-Partei im Luzerner Kantonsrat. «Wir leben hier die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg schon lange», betont Grüter. Es gebe in vielen Bereichen Verbindungen zu Aargauer oder Berner Gemeinden, sei es politisch, wirtschaftlich, sportlich oder auch kulturell.

Trotzdem erstaunt es auf den ersten Blick, dass der Oberaargauische Schwingerverband St. Urban den Zuschlag für das Schwingfest gab. Franz Wicki, bis Ende 2017 Wirt im Gasthof Bären im benachbarten Roggwil, schaut auf die mittlerweile frisch gemähte Wiese neben dem Schulhaus und erklärt, wie es dazu kam: «Die Idee war, dass Fest in Roggwil zu organisieren.» Er wollte im OK mithelfen, zog sich aber zurück, als er das Restaurant aufgab.

Der Schwingklub Langenthal, turnusgemäss für die Organisation des Anlasses zuständig, suchte daraufhin nach einer anderen Lösung. Laut Wicki standen auch Thunstetten/Bützberg und das Gebiet bei der Eishalle Schoren in Langenthal zur Diskussion. Weil eine Durchführung an diesen Standorten allerdings nicht zustande kam, habe ihn der Präsident des Oberaargauischen Schwingerverbandes erneut angerufen und gefragt, ob er nicht doch ein Fest in Roggwil aufgleisen könne, sagt Wicki.

Der 61-Jährige winkte ab: Er wohne nicht mehr in Roggwil und sehe deshalb keine Möglichkeit, war seine Antwort. Zufälligerweise sass er während des Telefonats mit Freunden aus der Region Pfaffnau am Stammtisch. «Sie bekamen das Gespräch mit und sagten spontan: ‹Man könnte das Schwingfest doch in St. Urban organisieren›.» Dafür müssten sie nur Thomas Grüter ins Boot holen, damals noch Gemeindepräsident von Pfaffnau.

Gesagt, getan: Franz Wicki traf sich mit Thomas Grüter. «Zuerst fragte er, ob meine Familie Land für das Schwingfest zur Verfügung stellen würde», sagt Grüter rückblickend. Knapp zwei Stunden später hätten sie dann über das OK-Präsidium gesprochen. Der Pfaffnauer sagt, er habe seine Zusage von der Zusammensetzung des Organisationskomitees abhängig gemacht. «Als ich sah, wer alles mithilft, fiel mir die Entscheidung leichter.»

Grüter und Wicki nahmen mit knapp 30 weiteren Personen im Kern-OK die Organisation an die Hand. Sie planten für ein Schwingfest an Pfingsten 2021. Dann kam Corona. Das für 2020 in Ursenbach geplante Oberaargauische musste abgesagt werden.

Das Ursenbacher OK wollte sein Fest ein Jahr später doch noch durchführen. «Wir wurden deshalb angefragt, ob St. Urban ebenfalls bereit ist, ein Jahr nach hinten zu rücken», erklärt Grüter. «Wir waren offen für diesen Vorschlag. In der Schwingerszene hilft man einander.»

Immer wieder sprechen Grüter und Wicki über den «guten Geist, der in der Schwingerszene herrscht». Beide waren selbst nie aktive Schwinger. Zudem habe ihm meist die Zeit gefehlt, Schwingfeste zu besuchen, sagt Grüter. «Aber ich finde den Spirit in diesem Sport toll.» Er geniesse einen grossen Rückhalt in der Bevölkerung. «Deshalb ist es für mich eine Ehre, bei diesem Fest mitzuhelfen.»

Wickis Verbindung zum Sport ist zumindest etwas enger als jene des OK-Präsidenten. Seit vielen Jahren besuche er Schwingfeste, sagt er. Zudem betrieb er hinter dem Restaurant Bären in Roggwil einen Aussenschwingplatz. Er habe dadurch immer einen guten Draht zu den Schwingern gehabt. «Sie sind einfach gute Typen.» Er habe stets gesagt, er werde einmal mithelfen, ein Schwingfest zu organisieren, wenn es seine Zeit zulasse. Nun ist es soweit.

Das Kribbeln nimmt bei beiden mit jedem Tag, an dem das Fest näher rückt, zu. «Ich bin guter Dinge», sagt der 58-jährige Thomas Grüter. Bei den Ressorts Personelles, Bau und Finanzen müsse das OK aber den Finger draufhalten. «Ohne die anderen abzuwerten – das sind die drei Schlüsselressorts.»

Über 500 Helferinnen und Helfer werden am Pfingstwochenende in St. Urban im Einsatz stehen. Da gilt es, einiges zu koordinieren. Das Fest soll zudem auch finanziell zum Erfolg werden, damit die Trägervereine und ihre helfenden Mitglieder etwas für ihren Aufwand zurückerhalten.

Wicki, im OK zuständig für Werbung und Sponsoring, ist diesbezüglich optimistisch – gerade weil das Fest auch in diesem Bereich grenzüberschreitend unterwegs ist: «Unser Einzugsgebiet reicht von Zofingen über Willisau nach Langenthal und weit in den Oberaargau hinein. Davon profitieren wir auch beim Sponsoring», sagt er.

Etwa 5000 Zuschauerinnen und Gäste werden am Schwingfest in St. Urban erwartet. Das gute am Standort neben dem Schulhaus ist: Gleich zwei Haltestellen der Aare Seeland mobil befinden sich in unmittelbarer Nähe. Zudem stellt Landwirt Grüter nur unweit entfernt eine grosse Fläche als Parkplatz zur Verfügung.

Kurz vor Auffahrt werden die Aufbauarbeiten auf dem Festgelände beginnen. «Dann wird bei mir die Anspannung definitiv steigen», sagt Grüter. Noch bleibt aber Zeit, um die letzten Details zu klären. Am Ende des Gesprächs schaut der OK-Präsident zu seinem Vize und fragt: «Kannst du noch einen Moment hier bleiben, ich möchte noch ein paar Sachen besprechen?»

Das Programm:

Das 110. Oberaargauische Schwingfest beginnt am Freitag, 4. Juni, um 16 Uhr mit einem Unterhaltungsprogramm. Am Samstag ab 8 Uhr steigen die Bösen in die Sägemehlringe. Nach der Rangverkündigung um 18 Uhr kann auf dem Festgelände wieder gefeiert werden.

Noch gibts einige Tickets für das Schwingfest am Pfingstsamstag. Nach wie vor sind auch helfende Hände für das Wochenende gefragt.

Am Pfingstmontag findet traditionell der Oberaargauische Nachwuchsschwingertag statt. Etwa 300 junge Schwinger nehmen am Wettkampf teil. Beginn ist um 7.45 Uhr, Rangverkündigung um 17 Uhr.

%d Bloggern gefällt das: